Der Traum als symbolischer Ausdruck des Unbewussten ist eine spontane Selbstdarstellung einer gegenwärtigen Situation. Das emotionale Erleben im Traum und der dazugehörigen Traumbilder geben einerseits Auskunft über unbewusste Konflikte, Ängste oder ein Ungleichgewicht im Leben. Andererseits können Träume Lösungswege und Korrekturen aufzeigen, die einer schöpferischen Quelle jenseits des Bewusstseins entspringen. Werden Träume beachtet und verstanden, so wird die Persönlichkeit bereichert und durch eine innere Instanz entsteht „Selbst-bewusst-sein“.
Träume können unerbittliche Wahrheiten, philosophische Sentenzen, Illusionen, wilde Phantasien, Erinnerungen, Pläne, Antizipationen, ja sogar telepathische Visionen, irrationale Erlebnisse und Gott weiß was noch sein. Wir dürfen nämlich eines nicht vergessen: Fast die Hälfte unseres Lebens spielt sich in einem mehr oder weniger unbewussten Zustand ab. Die spezifische Äußerung des Unbewussten ist das Träumen. Wie die Seele eine Tagesseite hat, das Bewusstsein, so hat sie auch eine Nachtseite, das unbewusste psychische Funktionieren, das man als traumhaftes Phantasieren auffassen könnte. Wie es nun auch im Bewusstsein nicht nur Wünsche und Befürchtungen, sondern noch unendlich viele andere Dinge gibt, so besteht auch die allergrößte Wahrscheinlichkeit dafür, dass unsere Traumseele über einen ähnlichen, vielleicht sogar noch viel größeren Reichtum an Inhalts- und Lebensmöglichkeiten verfügt als das Bewusstsein, dessen essentielle Natur Konzentration, Einschränkung und Ausschließlichkeit ist. (C.G. Jung, GW16/153)
Die Entschlüsselung der Traumsymbolik ermöglicht es, einen Zugang zu einer Quelle der Selbsterkenntnis zu finden. Aus den Reaktionen des Unbewussten im Traum auf bewusste Situationen des Lebens, werden Lösungen und Wege aufgezeigt, die beim besten Bemühen nicht „erdacht“ werden können, da sie individuell auf die Einzigartigkeit des Betroffenen abgestimmt sind.
Der Traum beschäftigt sich oft mit anscheinend läppischen Details, wodurch er einen lächerlichen Eindruck macht, oder er ist äußerlich dermaßen unverständlich, dass wir uns höchstens über ihn wundern können, weshalb wir immer einen gewissen Widerstand zu überwinden haben, ehe wir uns ernsthaft dahintersetzen, das verworrene Gefüge durch geduldige Arbeit aufzulösen. Treten wir endlich in den wirklichen Sinn eines Traumes ein, so befinden wir uns aber auch schon mitten in den Geheimnissen des Träumers und sehen mit Erstaunen, dass auch ein anscheinend unsinniger Traum höchst sinnreich ist und eigentlich nur von wichtigen und ernsthaften Dingen spricht. Diese Erkenntnis nötigt uns etwas mehr Ehrfurcht ab vor dem sogenannten Aberglauben von der Bedeutung der Träume, für die unsere rationalisierte Zeitströmung bis jetzt nichts übrig hatte. (C.G. Jung, 1912)